Erinnern Sie sich noch daran, als Ihre Kinder noch sehr klein waren? Die kleinen, noch wohlriechenden, strampelnden Füße, die sich Ihnen entgegenstreckten! Wer kennt es vielleicht nicht, diese zärtlich zu berühren und eventuell auch mal sanft in den kleinen Fuß zu „beißen“. Eine Geste der Zuneigung und Liebe! Beißt uns heutzutage jemand in den Fuß, wird dies nicht unbedingt mehr als liebevolle Geste verstanden.
Aber was ist Beißen eigentlich?
Beschäftigen wir uns nun zunächst mit der Definition dieses Wortes. Beißen ist ein starkes Verb. Hierbei gibt es verschiedene Bedeutungsarten. Das Eindringen der Zähne in etwas, dass Auftreffen der Zähne auf einen nicht erwartenden Widerstand, dass Zerkleinern von Nahrung. (vgl. DUDEN/ Wörterbuch, Cornelsen Verlag GmbH, 2024)
Diese Definition zeigt nicht unbedingt einen negativ zu verstehenden Kontext auf. Es scheint eher der Nahrungsaufnahme zu dienen.
Jedoch finden wir das Beißen im Alltag häufiger auch in anderen Situation wieder. Gerade bei noch sehr jungen Kindern, zwischen 1 – 3 Jahren, tritt das Beißen häufiger auf und ist erst einmal ein kindliches Verhalten. Kinder in diesem Alter befinden sich in der ICH-Phase ihrer Entwicklung. Sie sind noch nicht in der Lage sich sprachlich auszudrücken, zu teilen, Rücksicht zu nehmen, abzuwarten oder sich in andere Menschen einzufühlen. Ihre eigene Wahrnehmung steht dabei noch vollkommen im Vordergrund. Kinder wollen ihre Umgebung dabei entdecken und müssen erst erleben und erlernen mit Konfliktsituationen umzugehen. Also können wir Beißen zunächst als „positive“ Entdeckung der eigenen Erfahrungen benennen.
Beißen als Entwicklungsschritt
Kinder beißen, wie bereits erwähnt, weil Ihnen die emotionale Selbstregulation fehlt. Sie finden keine Worte, sagen zu können, dass das Ihnen eben weg genommene Spielzeug gehört, oder das andere Kind gehauen hat. Sie reagieren. In diesem Falle mit beißen. Sie sind impulsiv und ärgern sich. Was ist da naheliegender als zu beißen. Man könnte auch sagen, es ist ihre Art der Selbstverteidigung in diesem Moment. Trotzdem darf das Beißen des Kindes nicht hingenommen werden. Eine sofortige Reaktion muss erfolgen, damit das Kind in der Lage ist, aus der Erfahrung zu lernen, und andere Verhaltensweisen zu erleben. Was kann es stattdessen tun?
Eine sofortige Reaktion einer anwesenden Bindungsperson kann ein klares „Stop“ oder auch „Nein“ sein. Die Situation muss also sofort unterbrochen werden. Das Kind, welches gebissen hat, sollte jedoch nicht die Frage nach dem „Warum?“ beantworten müssen. Die Kinder können ihre Gefühlslage nicht beschreiben und das „Warum“ nicht verstehen.
Nicht immer muss beim Beißen eine bestimmte Situation vorher geschehen sein. Kinder im Kleinkindalter, müssen sensorische Reize erleben um ihre Welt zu erkunden. Die Orale Phase ist von immenser Bedeutung für die Entwicklung der Kinder. Und dazu gehört auch das Beißen. Häufig benötigen die Kinder auch eine Druckentlastung. Gerade beim Zahnen, kann es passieren, dass Kinder Beißen. Bieten sie dem Kind stattdessen etwas Anderes an, auf dem es Beißen kann, und das Gefühl der juckenden und schmerzenden Zähne reguliert. Es kann ebenfalls sein, dass das Kind kurz seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen möchte. Auch wenn es eventuell eher eine negative Aufmerksamkeit sein sollte. Des Weiteren kann es auch eine Liebkosung sein. Erinnern Sie sich an das Beispiel, der kleinen Kinderfüße, in die gerne zum Spaß und aus Liebkosung „gebissen“ wird? Kinder könnten sich dieses Verhalten als Vorbild nehmen, und umsetzen. Sie merken also, es gibt viele Situationen, die keinen ernsten Hintergrund des Beißens haben. Man muss sie nur erkennen, und reagieren.
Wann erfordert Beißen genaueres hinschauen?
Jedoch gibt es auch Situationen des Beißens die ein genaueres Hinschauen erfordern. Das Beißen, gerade auch bei Kindern ab ca. 2 Jahren, kann sich zu einem negativen Verhaltensmuster entwickeln. In dem Moment, in dem Kinder anfangen sich selber zu beißen, ist ebenfalls Aufmerksamkeit gefragt. Kinder können noch nicht äußern, was genau sie belastet. Sollten Kinder häufig andere Kinder oder sich selber beißen, können traumatische Erlebnisse oder schwerwiegende familiäre Probleme dazu geführt haben. Das Kind muss seinem Stress einen Weg aufzeigen. Es kann dann das Beißen sein. Wut, Trauer, Ärger, Hilflosigkeit. Das Kind findet dann keine andere Lösung damit umzugehen und ist nicht in der Lage andere Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. Unser Auftrag dabei ist umso wichtiger in einem guten Austausch mit Ihnen als Eltern zu sein. Kommunikation und Vertrauen zwischen Ihnen und uns als Fachkräften sind unabdingbar. Wir schauen mit einem Ressourcenorientierten Blick auf das Verhalten Ihres Kindes, begleiten es dabei andere Wege zur Verarbeitung von Erlebnissen und Konfliktsituationen zu finden und zu unterstützen. Gemeinsam werden wir Lösungen finden und niemanden für Geschehnisse verurteilen.
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