Elternratgeber

Bratwurst oder Popcorn zum Abendessen

Oder: die Frage ob Kinder wirklich alles mitentscheiden dürfen

4.4
(16)

Liebe Eltern,

geht es Ihnen auch so? Schwups, ist Ostern auch schon wieder vorbei!

Und Weihnachten, ach das war gefühlt vor einem Jahr! Nun beginnt jedoch die wirklich aufregende Zeit für die zukünftigen Schulkinder unserer Einrichtungen. Denn nur noch ungefähr zehn Wochen und Ihre Kinder werden aus dem Kindergarten „geworfen“. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Für uns bedeutet dies jedoch auch, dass der Sommer in greifbare Nähe rutscht und wir wieder unsere Sommerfeste feiern und planen können. Unsere Einrichtung hat sich dieses Jahr dazu entschieden, mit den Kindern und den Eltern gemeinsam zu entscheiden, wie das Sommerfest gestaltet werden könnte.

Was soll es zu essen geben, unter welchem Motto soll das Sommerfest gefeiert werden, wird es eine Hüpfburg geben? Dinge die wir bereits vorher Gruppenintern mit den Kindern besprochen haben. Jedes Kind durfte Ideen und Wünsche äußern. Jede Idee wurde ernst genommen und notiert. Nun dürfen alle Kinder und Eltern gleichberechtigt abstimmen.

Partizipation in Kinderschuhen

Als wir im Team vorerst über die Idee sprachen, Kinder und Eltern mitentscheiden zu lassen, kam es zur Diskussion, wo im Kindergarten bereits Partizipation stattfindet. Wie offen gehen wir mit dem Thema um, und was bedeutet Partizipation eigentlich? Dabei stellten wir fest, dass das Mitspracherecht der Kinder noch in einigen Bereichen ausgebaut werden könnte. Auch wir entscheiden Dinge, ohne vorher mit den Kindern darüber zu sprechen. Jedoch auch aber an Sie liebe Eltern ist die Frage gerichtet, wieviel darf Ihr Kind zuhause mitentscheiden und bestimmen, und wo sind wir in der Verbindlichkeit gewisse Entscheidungen den Kindern nicht zu überlassen. Kann man einem Kind zu viel Mitsprachrecht übertragen?

Wenn wir überlegen, erst 1949 entwickelten sich mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, zunächst jedoch nur für Erwachsene, verschiedene Formen der Partizipation, wie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit.

Erst 1992 wurde das Recht auf Mitbestimmung für Kinder in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben. Und dennoch ist das Thema Partizipation ein sehr junges und sich entwickelndes Thema, gerade in der Kindererziehung.

Vorteil – Partizipation

Warum hat aber das Mitbestimmungsrecht von Kindern so viele Vorteile. Die Kinder lernen dabei ihre eigenen Ideen, Bedürfnisse und Wünsche kennen. Sie erkennen, dass auch andere eigene Ideen und Bedürfnisse haben und sich mit dem Problem der Einigung auseinanderzusetzen. Denn Mitsprache bedeutet nicht, immer im Recht zu sein, sondern anderen zuzuhören, sich zu einigen, gemeinsam Lösungen zu finden und Frustration auszuhalten, wenn der eigene Gedanke oder die Idee nicht umgesetzt werden.
Bei uns im Kindergarten sind es Themen wie das Aussuchen von Essen, Wünsche von bestimmten Spielen, Veränderung des Gruppenraumes, Spielzeiten (wird vielleicht draußen oder drinnen gespielt) und wie bei uns nun, auch die Planung vom Sommerfest.

Zuhause treten andere Momente der Mitsprache auf. Dort sind es Themen wie der Hygiene/Zahnhygiene, des Essens, der Schlafenszeit, der Medienzeit, der Kleiderwahl, vielleicht sogar der Urlaubswahl. Sie als Eltern möchten sicherlich, dass Ihr Kind mitentscheiden darf. Jedoch ist es manchmal ein Drahtseilakt zwischen gemeinsamen Entscheidungen und klaren Ansagen.

Mitbestimmung muss gelernt werden

Wichtig zu wissen ist, dass nicht jedes Kind die gleiche Mitbestimmung haben kann. Ein Kind von 2 Jahren kann die Entscheidung treffen, ob es lieber Toast oder Müsli zum Frühstück essen möchte, ob es auf den Spielplatz oder in den Park gehen mag, ob es das grüne oder rote Kleid anziehen mag. Sie sehen, die Kinder bekommen Auswahlmöglichkeiten. Erfahren jedoch trotzdem, dass sie mitentscheiden dürfen und fühlen sich dadurch angenommen und gewertschätzt. Einem älteren Kind kann ich in andere Entscheidungen mit einbeziehen. Überlasse ich dem Kind jedoch zu viele oder auch große Entscheidungen, wird es sich überfordert fühlen. Kinder können das Maß von Gewissen Entscheidungen noch nicht erahnen. Es gibt Entscheidungen, die in der Verantwortung von Ihnen als Eltern liegen. Zudem kann es passieren, dass sich die Eltern-Kind Rolle verschiebt. Das Kind verliert das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit durch Sie als Eltern. Das Kind wird sich zu sehr in der Verantwortung sehen. Unter Umständen verlernt Ihr Kind, die Meinungen und Empfindungen anderer Menschen zuzulassen und zu akzeptieren. Wenn es dann zum Beispiel im Kindergarten auf einen Widerstand stößt, kann dies zu Frustrationen und Aggressionen kommen.

Raum für Partizipation

Wichtig ist, dass Sie Ihrem Kind den Raum für Partizipation geben, jedoch auch Ihre Verantwortung als Eltern übernehmen. Überlegen Sie gut, in welchen Bereichen Sie Ihr Kind mitentscheiden lassen möchten, und in welchen Bereichen Sie als Eltern Entscheidungen treffen müssen.

Am Ende ist entscheidend, dass Mitbestimmung ein Kinderrecht ist und dies wichtig ist im Kindergartenalltag oder im Familienalltag umzusetzen. Für uns als Erzieherinnen, aber auch Sie als Eltern, ist ein altersgerechter Mittelweg zwischen Mitbestimmung und Grenzen der Schlüssel zum Glück. Mitbestimmung trägt dazu bei, dass sich Ihr Kind zu einem selbstbewussten und eigenständigen Menschen mit eigener Meinung, Empathie, Motivation und Kompromissbereitschaft entwickeln kann.

Lassen Sie uns gemeinsam den schmalen Weg zwischen Grenzen und Mitentscheidungen gehen. Ein Weg zwischen Bratwurst und Popcorn, zumindest bei unserem diesjährigen Sommerfest!

Herzliche Grüße,
Juliane Suhr

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